Mein Traumberuf, festgehalten in zahlreichen FreundInnenbücher, war bis im Alter von 15, eines Tages Meeresbiologin zu werden. Lange Zeit dachte ich, ich hätte diesen Traum weit verfehlt. Und plötzlich, mit 32 Jahren, soll ich Bachelor-Kurse in Meeresbiologie unterrichten – auf Spanisch. Das Leben und seine Wendungen sind schon kurios.
Und das, mit Wissen, dass hauptsächlich durch verschiedene Tauchkurse und Sachliteratur zusammenwürfelt ist. Zum Glück bekam ich durch einen sehr geduldigen Professor quasi Privatunterricht als Vorbereitung aller praktischer Sektionen des Kurses. So sezierte ich ein Fisch, suchte das Muschelherz, die Geschlechtsporen von Garnelen und der Kiefer eines Seeigels (wobei ich diesen beim Öffnen zerdrückte und damit wohl offiziell zu viel am Klettern bin). Ich lernte über Schwämme, die bis zu zwei Meter groß werden und bis zu 1.600 Jahre alt werden können. Ich entdeckte, wie vielfältig Seeanemonen sind – und dass einige indigene Stämme eine bestimmte Art für besondere Feierlichkeiten kochen, sie aber auch roh zur Selbsttötung nutzen. Ich lernte über Seespinnen, die vier Augen haben und Rankenfußkrebse, über unsterbliche Quallen und die funktional komplexe Arbeitsteilung in ihrer sessilen Larvenphase, den Polypenkolonien. Ich erforschte die Muschelmuskeln und wie sie sich an allen möglichen Substraten festhalten, die Kraft der Scheren eines Krebses, die vielen Anhänge eines Hummers und seine Fortpflanzung, wie Pfeilschwanzkrebse sich auf dem Meeresboden bewegen und wie das Gift in einigen Seesternen und Seeigeln produziert wird. Aber auch über die Kameraaugen der Oktopusse oder über die Vielzahl von winzigen Ruderfußkrebse, winzige kleine Krebstiere, die sich von marinem Plankton ernähren und die global am zahlreichsten vorkommende Mehrzeller sind. Dabei sind verschiedene Gruppen von Arthropoden/Gliederfüßern so divers und doch ist ihr Bauplan so ähnlich und schließt so eindeutig auf die gemeinsamen Vorfahren. Losgelöst vom Joch der Schwerkraft hat sich das Leben und seine Formen im Meer ausgetobt (Siehe „The Genetic Book of the Dead: A Darwinian Reverie“, Richard Dawkins).









Den Tod studieren, um das Leben zu verstehen?
Dieser ganze Sektionsprozess warf einige Fragen zur Tendenz der Biologie auf, Materie zu zerteilen, auseinanderzunehmen. Sicherlich lernen die Studierenden die Funktionsweise von Organen, Atmung, Verdauung und Fortpflanzung. Doch vermag das Lernen der verschiedenen Organen durch das Auseinandernehmen sie dem Leben ein Stück näherbringen – wenn das Leben paradoxerweise nicht mehr vorhanden ist? Ich habe einige Zweifel.
Wir sezieren, um zu verstehen, und doch entfernen wir damit das Leben aus der Gleichung. Biologie wird in vielen Fällen durch eine Linse des Todes betrachtet – konservierte Präparate, fixierte Gewebeschnitte und postmortale Analysen. Diese Methoden liefern zwar unschätzbare Erkenntnisse, aber sie erfassen oft nicht das ganze Bild. Organismen sind nicht nur ihre Organe; sie sind Verhalten, Interaktionen und Anpassungsfähigkeit in Bewegung. Diese Erkenntnis macht Exkursionen umso wichtiger.





Bezaubernde Bichos
Theoretische Meeresbiologie ist nicht das Wahre, wenn man direkt an der Küste lebt. So gingen wir auf Exkursion, mit dem Ziel, das Leben in den Gezeitenzonen zu erforschen. Es scheint, dass Orte mit der größten Veränderung und Wandel, das Leben am meisten aufblühen lässt. Und wow – so viele weitere Farben und Lebensformen. Das Leben ist dort einfach so verspielt. Von bunten Seesternen, unter den Steinen lebenden Borstensternkollonien, Ohrschnecken, Rakenfußkrebse (Percebes), Tomatenannemonen und Erdbeeranemonen. Und dann – habe ich meinen ersten Oktopus getroffen, ihr in die Augen geschaut, sie berührt und beim Schwimmen und Verstecken beobachtet.
Neben dem Beobachten der bichos (Tierchen), war es faszinierend, auch meine anderen bichos (die Studierenden) zu beobachten: Einige, die im Labor normalerweise sehr quirlig sind, wurden sehr schüchtern und zurückhaltend, während andere, die sich dort eher ruhig und gelangweilt verhielten, plötzlich auflebten, zu Oktopus-Jägern wurden und von einem Organismus zum nächsten rannten.














Die Dynamik von Lehren und Lernen
Da die Professoren, die ich unterstützte, wechselten, konnte ich verschiedene Lehrstile beobachten und sehen, wie die Studierenden darauf reagierten. Mir fiel deutlich auf, wie sehr die Energie der Lehrenden auf die Studierenden ausstrahlt. Auch die Zusammensetzung der Gruppen veränderte sich. Es war spannend zu beobachten, wie unterschiedlich die gleichen Aufgaben gelöst wurden. Manche Studierende waren definitiv nicht für das Sezieren von Tieren gemacht – einige machten ein totales Chaos, während andere darin wahre Naturtalente waren.
Wissen zu teilen, macht umso mehr Spaß, wenn die andere Seite an diesem interessiert ist. Ich hatte wirklich Glück – die Klassen waren großartig (und haben sogar meine Aussprachefehler akzeptiert). Am Ende denke ich, dass ich keinen allzu schlechten Job gemacht habe. Sie haben mich zumindest zu ihrer Party eingeladen. „Leider“ fand sie tagsüber statt und kollidierte mit meinen Arbeitszeiten – was für ein Pech, dass ich nicht hingehen konnte! 😀
