Diese Seite ist etwas anders als die anderen. Es ist an der Zeit, über etwas zu schreiben, das ich schon lange in Worte fassen wollte. Vor etwa fünf Jahren, nach Abschluss meines Masters, hatte ich den Drang, ein Projekt über die Folgen der Einnahme der Antibabypille und die Auswirkungen der Hormone auf den Körper zu starten. Mein Ziel war es, persönliche Pillengeschichten zu sammeln. Ich wollte Menschen, die vor der Entscheidung standen, die Pille zu nehmen, mehr Informationen zugänglich machen. Die üblichen kargen Worte der FrauenärztInnen beschränken sich oftmals darauf, wie die Pille Verhütung so einfach macht – in wenigen Fällen wird vielleicht ein erhöhtes Trombose-Risiko angesprochen. Positive Nebeneffekte, wie die Pille „die Brüste größer macht“ und „die Haut klärt“ sind aber nicht das gesamte Paket, das eine Verhütung mit der Pille mit sich bringt.

So befreiend das Konzept der Verhütung auch klingt, die andere Seite dieser scheinbar harmlosen, oft pastellrosa gefärbten Pille wird oft im Dunkeln gelassen. Das war definitiv bei mir der Fall, als ich 15 war und meine Frauenärztin mir ohne großes Zögern die Pille verschrieb. Viele meiner Freundinnen hatten ähnliche Erfahrungen. Unsere ÄrztInnen stehen unter immensem Stress und wahrscheinlich auch unter wirtschaftlichem Druck, zu verkaufen. Ihre Aufgabe ist es jedoch, ausgewogen über die Folgen von Medikamenten zu informieren. Doch Informationen über die Pille beschränken sich meist auf ihre empfängnisverhütende Wirkung. Es ist unbestreitbar, dass die Pille in diesem Aspekt gute Arbeit leistet. Aber die Verhütung kommt zu einem hohen Preis, für einige nicht nur wirtschaftlich, sondern auch für den Körper, die Stimmung und damit dem allgemeinen Wohlbefinden. Hormone regulieren die Nährstoffaufnahme, beeinflussen die Stimmung und die Libido. Bei einigen Frauen stören bestimmte Antibabypillen diese Prozesse. Diese andere Seite der Medaille wird oftmals nicht gezeigt, eben weil Erfahrungen mit der Pille sehr individuell sind, aber auch weil konkrete Forschung in dem Bereich fehlt. Obwohl sie seit 1960 auf dem Markt ist, ist das Ausmaß des Eingriffs der Pille auf das Wohlbefinden nach wie vor weitgehend unbekannt, und Langzeitstudien sind selten. Eine dänische Studie fand zum Beispiel heraus, dass die Pille die Stimmung negativ beeinflusste (Skovlund et al. 2016) und das Risiko für Selbstmordgedanken und -versuche erhöhte. Dieser Effekte bestätigte eine vorhergehende Studie (Gingnell et al. 2013). Ein stärkerer Effekt auf die Stimmung wurde besonders bei älteren Pillengenerationen, die Ethinylestradiol enthalten, festgestellt (Mu et al., 2022). In all diesen Studien ist es jedoch wichtig zu betonen, dass unklar ist, inwieweit die Pille diese Risiken verursacht da die gefundenen Korrelationen nicht gleichbedeutend mit Kausalität sind. In einem TED-Talk spricht die Psychologin Sarah E. Hill darüber, wie die Pille unser Selbstbild verändert, und auch über die Auswirkungen auf die Stimmung (was bei mir ebenfalls der Fall war, wie ich in meiner Pillengeschichte im Kommentarbereich erzähle).

Sie betont auch, dass die Wirkung der Pille von vielen Faktoren beeinflusst wird. Welche Art der Pille ist es? Welche Generation? Aber auch die individuelle Gesundheit, medizinische Vorgeschichten und das mentale Befinden beeinflussen die Wirkung. Wenn die Pille verschrieben wird, werden diese Fragen oft nicht gestellt und mögliche Konsequenzen nicht angesprochen. Deshalb ist es wichtig, dass wir andere Räume finden, um über die Auswirkungen der Pille auf das Leben von Frauen zu sprechen. Auch wenn es sich hier um individuelle Geschichten handelt, diese Geschichten veränderten die Leben von vielen Frauen und Mädchen und sollten deshalb nicht ungehört bleiben. Vielleicht nimmst auch du die Pille und fühlst dich nicht in deiner Mitte, irgendwie nicht mehr du selbst, hast komische Stimmungen, hast keine Lust auf Sex oder nimmst Gefühle nur sehr gedämpft wahr? Ich hatte damals keine Ahnung, wie krass sich die Pille auf mein Leben auswirkte. Erst als ich sie absetzte, fühle es sich so an, als hätte man mich von einer Wattewolke, die meine Gefühle abpufferte herunterholen – plötzlich fühlte ich mich wieder so viel mehr ich selbst, lebendiger.

Auch wenn dies nur eine einzelne Erfahrung mit der Pille ist, ich möchte diese mit anderen weiblichen Körpern teilen, falls auch sie sich so fühlen und ratlos sind warum, aber vielleicht nie die Pille als Auslöser bzw. Verstärker in Betracht gezogen haben. Damals, vor 5 Jahren wollte ich Geschichten über einen Instagram-Account sammeln. Allerdings wäre ich dort der zentrale Punkt für die Anonymisierung und Weitergabe der Geschichten gewesen. Außerdem zweifelte ich an meiner Expertise zu diesem Thema, und diese Zweifel gewannen schließlich.

Jetzt, fünf Jahre später, denke ich, dass es endlich an der Zeit ist, diesem kleinen Projekt einen neuen Ruck zu geben. Ich bin immer noch kein Experte für die Pille, aber ich habe sie acht Jahre lang genommen. Hier sammle ich persönliche Erfahrungen und Gespräche mit Mädchen, Frauen und Personen mit Eierstöcken. Dies ist eine andere Form des Wissens, mehr „traditionelles Wissen“. Deshalb habe ich zunächst gezögert, dies auf den Blog zu teilen. Auf dieser Seite lege ich meine „Wissenschafts“-Maske ab. Aber Wissenschaftlerin zu sein sollte mich nicht daran hindern, über persönliche Erfahrungen und traditionelle Weisheit zu sprechen und diesem Thema auf meinem Blog Raum zu geben.

Ich habe keine Ahnung, wer das hier lesen wird. Aber es ist ein Thema, über das wir mehr sprechen müssen. Das Leben vieler weiblicher Personen wird durch die Einnahme der Pille geprägt, und das oftmals ohne dass ihnen bewusst ist, welche Rolle die Pille spielt. Zusätzlich haben viele Männer keine Ahnung, was in den Körpern ihrer Partnerinnen, Schwestern, Freundinnen, Töchter oder Mütter vor sich geht. Die Verhütung wird ihnen überlassen, denn es scheint weibliche Verantwortung zu sein, nicht schwanger zu werden. Aber die Tatsache, dass weibliche Körper mit Pilleneinnahme unter ernsthafter Medikation stehen und die Pille deren Stimmung und Gedanken weit mehr beeinflussen könnte als oft bewusst, wird vernachlässigt. Wir brauchen mehr Transparenz und ein vollständigeres Bild davon, was es bedeutet, die Pille zu nehmen. Also: lasst uns über die Pille sprechen.

Hier ist mein kleines Forum, in dem Geschichten über die Pille gesammelt werden. Wenn du oder deine Partnerin zur Verhütung Hormone eingenommen hast/hat, teile gerne hier die Pillengeschichte. Was ist mit dem Körper passiert, als die Pille eingenommen wurde, oder als du/deine Partnerin aufgehört hast/hat, sie zu nehmen? Im ersten Kommentar hier teile ich meine persönliche Erfahrung mit der Pille.

Zu guter Letzt möchte ich meiner lieben Anna danken, dass sie mir den emotionalen Schub gegeben hat, dieses Thema wieder zum Leben zu erwecken und hier zu teilen. Ihre unterstützenden Worte haben sehr geholfen, die Zweifel zu ignorieren—mille grazie <3. Außerdem, falls du die Pille nimmst – Sarah E. Hill weist in ihrem Artikel und ted talk darauf hin, wie wichtig es ist gerade in dieser Zeit ist, ein Tagebuch zu führen aber auch Veränderungen mit engen Personen zu teilen, die ein Auge darauf werfen können, falls du dich verändern solltest. Das ist alles. Lasst uns aus unseren Geschichten voneinander lernen <3.


Unsere Pillengeschichten

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Julia

    Hier ist meine persönliche Erfahrung mit der Pille.

    Ich hatte ein völlig anderes Bild von mir selbst. Ein Bild voller Selbstzweifel, Unsicherheiten und extremer Stimmungsschwankungen. In den Jahren, in denen ich die Pille (die Marke hieß AIDA) nahm, weinte ich so viel und dachte, das sei in diesen Teenagerjahren normal. Jetzt, rückblickend und angesichts der langsam auftauchenden Langzeitstudien, bin ich mir nicht mehr sicher, ob es wirklich nur die Pubertät war.

    Abgesehen von diesen Ausbrüchen fühlten sich meine Emotionen gedämpft an, wie durch eine Wattewolke. Alle Höhen waren nicht so hoch, aber auch die Tiefen nicht so tief. Erst als ich aufhörte, die Pille zu nehmen, wurde mir klar, wie viel lebendiger ich mich fühlte, wieder in meiner Mitte. Ich möchte nicht übertreiben, aber manchmal sehe ich die Pille wie einen kleinen Dämon, der in diesen Jahren die Kontrolle über mich übernommen hat. Ich war nicht mehr ich selbst. Die Pille hatte wirklich eine lebensverändernde Auswirkung auf mich, und deshalb ist es mir so wichtig, darüber zu sprechen.

  2. Verena

    Im Alter von 15 Jahren bin ich zu meiner Frauenärztin, da ich meinen ersten festen Freund hatte. Ich habe die Pille verschrieben bekommen. Eine professionelle Beratung zu alternativen Verhütungsmethoden fand nicht statt, was für mich zu diesem Zeitpunkt allerdings in Ordnung war, da in meinem Umfeld nahezu jede Frau die Pille einnahm. Rückwirkend betrachtet, finde ich es natürlich erschreckend, dass ich von meiner Ärztin nicht ausreichend beraten wurde.

    Nach 13 Jahren entschied ich mich schließlich, die Pille abzusetzen. Der Hauptgrund dafür war u.a. der zunehmende Wandel in meinem Freundeskreis: Immer mehr meiner Freundinnen setzten die Pille ab und berichteten von ihren (größtenteils positiven) Erfahrungen. Diese Berichte weckten meine Neugier und ich begann, mich intensiver mit dem Thema auseinanderzusetzen. Bis dahin kannte ich meinen Körper nur unter der Einnahme der Pille – nun wollte ich wissen, wie es sich ohne sie anfühlen würde. Gleichzeitig hatte ich auch Angst vor möglichen körperlichen Veränderungen wie Haarausfall, unreiner Haut oder Gewichtszunahme, was mich lange davon abhielt, den Schritt früher zu wagen.

    Seit dem Absetzen der Pille vor vier Jahren habe ich zum Glück durchweg positive Veränderungen an meinem Körper wahrgenommen. Meine Periode hat sich schnell wieder eingependelt und ich erlebe nun einen regelmäßigen Zyklus. Außerdem bemerkte ich ein ganz anderes Körpergefühl: Zum ersten Mal konnte ich die verschiedenen Zyklusphasen bewusst wahrnehmen und habe somit auch ein deutlich besseres Verständnis für meinen Körper entwickelt. Auch meine Stimmungsschwankungen sind weniger geworden, und zu meiner Überraschung hat sich sogar meine Haut verbessert – sie ist reiner als während der Einnahme der Pille. Haarausfall habe ich ebenfalls nicht erlebt.

    Insgesamt habe ich sehr positive Erfahrungen gemacht und bereue meine Entscheidung, die Pille abzusetzen, keineswegs. Im Gegenteil, ich bedauere vielmehr, dass ich diesen Schritt nicht schon früher gewagt habe.

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