Es dauerte vier Jahre, um zu verarbeiten, und ich glaube, ich bin immer noch erst am Anfang, die Vielzahl von Perspektiven, Farben, Gerüchen und Vielfalt zu erfassen, die ich während meiner Zeit in Indien erlebt habe.

Neben dem Erzählen von einigen meiner Erfahrungen in Indien teile ich hier auch einige der Anbaumethoden, die wir mit der NGO, für die ich gearbeitet habe, den Landwirt*innen zeigten. Landwirtschaft scheint oft so weit weg zu sein. Mehr über die Lebensmittelproduktion zu lernen, baut Barrieren gegenüber Landwirt*innen ab und würdigt ihre kostbare Arbeit. Deshalb werde ich auch über alte Saatgutsorten schreiben – was sie sind und warum sie so wichtig sind.

Wie Indien meinen Weg kreuzte

Es gab einige Zufälle, die mich überhaupt erst nach Indien brachten. Alles begann mit einem freiwilligen Zusatzkurs über Ethik in der Landwirtschaft in den ich mich eingeschrieben hatte in meinem Master. Dieser hat mich mit der Assistenzprofessorin zusammen gebracht, von welcher ich sehr viel über ethische Lebensmittelproduktion gelernt habe. Diese Begegnung hat auch Indien mit sich gebracht, denn ich begann für sie als wissenschaftliche Assistentin zu arbeiten. Zusammen haben wir für verschiedene Artikel rund um die Bedeutung der Erhaltung alter Saatgutsorten recherchiert. Sie arbeitete zusammen mit einem Team in Großbritannien und Indien, wo eine Saatgutkonferenz geplant war. So konnte ich für mein Praktikum nach Indien und von dort bei der Organisation und Vorbereitung eines Berichts für die indische Regierung arbeiten. Die NGO ist Teil eines Ashrams, einer internationalen Organisation mit Tochterzweige in fast jedem Land. Zur Vorbereitung sollte ich deshalb einer der angebotenen Kurse in München durchlaufen. In diesem Kurs bin ich das erste Mal etwas tiefer in Mediation, Atemübungen und Yoga eingetaucht. Der Kurs hatte definitiv eine bleibende Wirkung auf mich und hat außerdem eine neue Seite Münchens gezeigt mit einer indischen bzw. sehr indisch-affinen Gemeinschaft an bunten Menschen.

Für die Einreise nach Indien habe ich mich gegen ein Touristenvisum und stattdessen für ein Arbeitsvisumverfahren entschieden (ohne besonderen Grund). Allerdings musste dafür das Visum in den Pass gedruckt werden, was ewig dauerte. Während die indische Botschaft in München bereits einen ersten Vorgeschmack auf ein sehr dicht bevölkertes, buntes Volk gab, war mir schon bewusst, dass es zeitlich eng werden könnte mit dem Visum. Aber so eng … Mein Problem war, dass ich vor dem Abflug in der Türkei war. Glücklicherweise konnte ich in die Türkei mit meinem Personalausweis einreisen – und das über den Landweg mit einer lustigen Befragung nachts um 2 Uhr an der bulgarischen Grenze. Meinen Reisepass mit Visum ließ ich derweil an meine Freundin schicken, die mich in Istanbul vor der Abreise besuchte. Der Pass kam pünklich am Tag vor der Abreise bei ihr an – in letzter Minute hörte sie das Klingeln des Postboten, da eine persönliche Annahme des Pakets erforderlich war. Das war ein zittriger Moment.

In Indien

In Indien angekommen lernte ich das Ashram kennen, in dem auch die NGO, für die ich arbeitete war. Was für ein Ort. Die Welt steht dort ein wenig still. Das Ashram fühlt sich ein bisschen wie ein indischer Europapark an mit Schilder mit Zitate, goldenen Kühe und Bilderbuch-Tempel. Außerdem herrbscht ein gewissen Personenkult und Fotos des Gurus waren an jeder Wand und an manch so einer Kette. Der Kult überforderte mich etwas. Eines Tages, als der Guru zurück von einer seiner vielen Welttournes kam, gab es eine winkende, weinende Willkommens-Spalliere.

Außerdem im Ashram gibt es jedoch auch viel Yoga, gesundes Essen, gemeinsames Singen und Meditation sowie viele Menschen, die genau das suchen.

Ein bisschen jetlagged, aber sehr glücklich nach meinem ersten Dosa (fermentiertem Reis-Pfannkuchen) mit Kokosnuss-Chutney, frischen Früchten und Papayasaft.

Bei der NGO schrieb ich Blogartikel, wie zum Beispiel diesen hier über die Verteilung von Forschungsgelder für biologischer Landwirtschaft und konventioneller Landwirtschaft (Artikel ist auf Englisch). Durch die Arbeit traf ich viele Landwirt*innen, die mir ihren Hof zeigten. Es wurde auch ein Imkerkurs von der NGO organisiert und lernte dort nicht nur über Bienen (mehr oder weniger, da der Imker ab und an auf Kannada sprach), sonder auch neue Freunde kennen. Sie luden mich auf ihre Höfe ein und zeigten mir ihre Praktiken. Dort lernte ich die Bedeutung von Mulchen und warum es so wichtig ist, den Boden bedeckt zu halten, mit Blättern, Stroh oder Holzspähnen. Insbesondere in Monsunzeiten mit starken Regenfällen würde ansonsten wertvoller Boden weggespült werden, oder in heißen Sommermonaten würde die starke Sonneneinstrahlung den Boden austrocknen lassen.

All diese Landwirt*innen waren davon überzeugt, zur Düngung der Pflanzen, Präparate auf Basis von Kuhmist herzustellen. Die meisten von ihnen fermentierten den Mist (und wenn möglich/verfügbar auch Kuhurin) unter Sauerstoffzufuhr durch täglichem Rühren zusammen mit Proteinen in Kichererbsenmehl, reifen Früchten oder Rohrzucker und einer Handvoll lokaler Erde in einer mit Wasser aufgefüllten Schüssel. Das Präparat ließ man zwei Wochen lang fermentieren und rührte es täglich um, bevor es dem Bewässerungssystem, das Wasser auf den Feldern verteilt, zugegeben wurde.

Hier einige Eindrücke von einer Filmaufnahme, die den Prozess der Herstellung des Jivamrut-Düngemittels dokumentiert (der Rohrzucker in Kugelform im Plastikbeutel, der Kuh-Mist im grünen Behälter und der Kuhurin in der Plastikflasche (warum ist er nur so orange??)).



Die Landwirt*innen mit denen ich mich unterhalten hatte sind alle gegen die Verwendung von Pestizide. Sie sagen, dass sie keine großen Verluste durch Schädlinge haben und dass die Vielfalt ein bestimmtes Gleichgewicht in den Gemüse- und Obstgärten sicherstellt. Zur Vermehrung der Pflanzen bewahren sie die Samen von einem Jahr zum nächsten auf und tauschen sie auch mit anderen Landwirt*innen aus, um neue Samen zu erhalten. Oft wird das Saatgut gekreuzt, um Eigenschaften wie Geschmack und Farbe zu ändern. Mit jeder Generation passen sich die Samen auch veränderten Klima- oder Bodenbedingungen an. Sie durchlaufen einen evolutionären Prozess, der durch Landwirt*innen beschleunigt und beeinflusst werden kann.

Eine Samenbank für eines dieser alten Saatgutsorten befindet sich im Garten meines Betreuers. Dort stieß ich auf einige sehr beeindruckende Pflanzen und Früchte mit Riesenokraschoten, Auberginendjungle, gelben und roten Hirsesorten, Rosenäpfeln (sehr lecker), so viele verschiedene Chilisorten, Spinnen, die auch in diesem Garten beheimatet sind, an Feigen nur so überquellende Bäume, „Samenbomben“ aus Pflanzensamen, die in eine trockene Version des Jivamrut mit Mist, Proteinpulver und Zucker eingearbeitet werden, laubbemulchte Beete, stachelig-gelben Jackfrüchte und zweifarbigen Paprikas. Es war gut zu sehen, dass auch in diesem Garten Blätter als Mulch verwendet werden, um die Pflanzen zu schützen und nicht erwünschte Nebenkräuter etwas klein zu halten.



Die Saatgutkonferenz

Die Saatgutkonferenz sollte die Vielfalt der alten Sorten feiern und fördern. Dafür kamen Landwirt*innen aus ganz Indien zusammen, um ihr Saatgut und ihr Wissen auszutauschen. Es war verrückt zu sehen, welche Vielfalt zusammenkam. Linsen, Bohnen, Hirse und Reis in so vielen Formen und Farben. Die Geschichten der Landwirt*innen über diese alten Sorten und warum sie trotz schwieriger Marktbedingungen daran festhalten, waren faszinierend. Einige dieser Geschichten wurden hier von meiner Kollegin Nathalie festgehalten.



Die Fotos wurden nach der Übergabe unseres Whitepapers an die indische Regierung über die Bedeutung von alten Saatgutsorten gemacht. Wir präsentierten eine Blockchain-Lösung, die mehr Landwirt*innen dazu anregen könnte, ihre eigenen angebauten Samen zu konservieren und widerzuverwenden. Die die Technologie könnte es ermöglichen nachzuverfolgen, wer das Saatgut gezüchtet hat und damit Urheber ist. So könnte sichergestellt werden, dass Urheber entsprechend vergünstigt werden, wenn ihr Saatgut später verwendet wird. Das ist gegenwärtig nicht der Fall und die meisten Landwirt*innen propagieren ihr Saatgut nicht aus kommerziellen Gründen weiter. Oftmals ist es vielmehr eigenes Interesse bzw. ihre Leidenschaft, da mit dem Saatgut nur schwer zusätzlicher Umsatz gemacht werden kann.

Während der Sari, den ich dankbar ausliehen konnte, auf dem Foto gut saß, ist er definitiv kein Outfit für spontane Bewegungen und definitiv nicht zum Rennen geeignet. Er erfordert akribisches Bügeln und muss mit Sicherheitsnadeln festgemacht werden, was für meine Verhältnisse zu viel Zeit in Anspruch nimmt. Zusammenfassend kann ich sagen, dass Saris und ich nicht das beste Team sind.

Außerdem im Ashram

Von spontanen Hochzeitseinladungen mit unglaublich schönen Blumenketten überall, auch in meinen Haaren, Meditationen unter dem Baum, 2min in der Krieger-Position beim Yoga mit Hunderten von Menschen, um einen neuen Rekord am Internationalen Tag des Yoga aufzustellen, Kochkurse bei Freunde mit unglaublichen Currys, neugierige Affen und Höckerrinder auf dem Hof des Ashrams (der orangefarbene Urin, der im Jivamrut verwendet wird, stammt von ihnen). Außerdem wurde sehr viel gesungen und getanzt mit Menschen aus der ganzen Welt, die dort Freiwilligenarbeit leisteten. Eines Abends sind wir mit unserer kleinen Gruppe nach Bangalore zu einer Salsaparty gegangen mit talentierten indischen Tänzer, die es schafften mich ohne jegliche Salsa-Fähigkeiten Salsa tanzen zu lassen.



Bangalore, die Gartenstadt


Ich kann nach wie vor nicht über die unglaublich großen, tolle Bäume hinwegkommen, die ich bei meinen Ausflügen nach Bangalore entdeckt habe. Aus dem Ashram in die quirlige Welt hinauszutreten war immer ein wenig überwältigend, aber auch sehr aufregend (bis vielleicht auf das etwas intensive angestarrt werden im Bus). Diese frisch frittierten Kartoffelchips an jeder Ecke (normalerweise mag ich Frittiertes nicht, aber diese Chips sind unvergleichlich). Und dann gab es noch die Märkte, überfüllt mit Blumen, Düften und Gewürzen.



An anderen Wochenenden luden mich Landwirt*innen, die ich während der Workshops im Ashram kennengelernt hatte, ein, ihre Höfe zu besuchen. Ich bin sehr dankbar für diese Erfahrungen, bei denen ich beobachten konnte, wie sie ihre kleinen Familienhöfe mit den von der NGO propagierten Methoden bewirtschaften. Von frisch geerntete Mangos und Dosas und Curry-Kochkurse, es war immer bunt und eine Geschmacksexplosion. Ein unvergessliches Abenteuer war, als Divya und ihre Familie mich und meine liebe Mitbewohnerin aus dem Ashram, Caro, auf eine Safari in einem Nationalpark in der Nähe von Mysore mitnahmen. Von Pfauen über Elefanten bis hin zu einem wunderschönen Geparden war es unglaublich dort.



Auch in India

Nach meinem Praktikum hatte ich einige Tage, das Land außerdem des Ashrams zu entdecken. Mein damaliger Partner kam dazu und zusammen machten wir uns mit einigen Stopps entlang der Westküste auf nach Mumbai. Das Reisen durch Indien mit dem Zug war bereits ein Abenteuer für sich. Viele Menschen, eine Menge verrückter Landschaften, die man beim Vorbeirasen beobachten konnte, einige schöne Bäume sogar an den Bahnhöfen und ein interessantes Brandschutzsystem für den Notfall.



Erstes Ziel: Mysore mit sehr buntem Markt


Zur Zeit der Reise wurden Goa und Ost-Karnataka von den Monsunfluten überflutet. Es war surreal, alles unter Metern Wasser versunken zu sehen, und dennoch fuhren die Züge irgendwie weiter durch das Ganze hindurch.


Entsprechend mysteriös war die Stimmung am indischen Ozean..


Einige Eindrücke aus Goa. Wenn Portugal auf Indien trifft…


Es gibt einige tolle Tier-Schutzgebiete entlang der Westküste. Wir haben in einem der vielen Tigerparks ein Stopp gemacht. Welche bessere Möglichkeit gibt es zu reisen als mit einem Aloe-Vera-Blatt im Rucksack… An dem Punkt, an dem das Bild aufgenommen wurde, wurde nur einige Minuten später ein Leoparden entdeckt. Vielleicht war es besser, dass wir das nicht wussten… Abgesehen von einigen wunderschönen Landschaften haben wir Bären, Pfauen, Hirsche und viele Vögel getroffen. Die letzten drei Bilder wurden außerhalb von Mangalore aufgenommen, wo wir zu einem Flussdelta gewandert sind, einem Vögel-Brutplatz (all die weiße Punkte).



Ein paar Farben des sehr bunten, leckeren, indischen Essens. Von diesem süßen Vermicelli-Pudding als Dessert an einem besonderen Feiertag über Kokos-Chutney für Dosas am Morgen bis hin zum Hochzeitsessen auf den Bananenblättern (so lecker), ein klassisches Ashram-Essen mit einem großen Teller voller verschiedener Gemüsesorten, Linsen-Daals, Suppen und der fermentierten Buttermilch und dann einige Jackfrüchte aus dem Garten meines Betreuers.


Und dann war da noch Mumbai, eine pulsierende Metropole, die vor Leben und Energie nur so überquoll. Ich bin dankbar für die Gelegenheit, es erlebt zu haben.

Danke, Indien <3 es war ein absolutes Vergnügen!


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